Grundlagen Spanen

Unter Spanen versteht man gemäß DIN 8589 einen Trennvorgang, bei dem von einem Werkstück mit Hilfe der Schneiden eines Werkzeugs Werkstoffschichten in Form von Spänen zur Änderung der Werkstückform und (oder) Werkstückoberfläche mechanisch abgetragen werden. Dabei unterscheidet man zwischen Spanen mit geometrisch bestimmten Schneiden (z. B. Drehen, Fräsen, Hobeln, Sägen) und Spanen mit geometrisch unbestimmten Schneiden (z. B. Schleifen, Honen, Läppen, Gleitspanen).

Wirtschaftliche Bedeutung des Spanens


Trotz zunehmender Konkurrenz, besonders durch umformende Fertigungsverfahren, konnten die spanenden Fertigungsverfahren wegen der erreichbaren hohen Genauigkeit und geometrisch nahezu unbegrenzten Bearbeitungsmöglichkeiten ihre bedeutende Stellung behaupten.
Der wertmäßige Anteil spanender Werkzeugmaschinen beträgt nach einer Statistik (VDMA) 72% gegenüber einem Anteil von 28% bei umformenden Werkzeugmaschinen, gemessen an der Gesamtwerkzeugmaschinenproduktion in Deutschland.
Steigende Anforderungen an Oberflächengüten, Maß-, Form- und Lagegenauigkeiten sowie die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Konstruktionsverfahren lassen für spanende Fertigungsverfahren auch in Zukunft deutliche Wettbewerbsvorteile erwarten.

Bezugssysteme


Die geometrischen Parameter des Schneidteils werden in den Ebenen verschiedener Bezugssysteme, die nach DIN 6581 genormt sind, dargestellt. Alle in den Bezugssystemen definierten Ebenen enthalten den betrachteten Schneidenpunkt. Eine Ausnahme in dieser Hinsicht bildet nur die Auflageebene (gilt beim Längsdrehen mit rechtwinkligem Schaft).

Werkzeugbezugssysteme:

  • Das Werkzeugbezugssystem gilt für das nicht im Einsatz befindliche Werkzeug. Es ist für die Herstellung der Werkzeuge und für die Werkzeuginstandhaltung von Bedeutung.
  • Die Werkzeugbezugsebene liegt parallel zur Auflageebene des Werkzeugs, steht senkrecht zur angenommenen Schnittrichtung und enthält den betrachteten Schneidenpunkt.
  • Die Schneidenebene enthält die Hauptschneide des Werkzeugs in voller Länge und steht senkrecht zur Werkzeugsbezugsebene.
  • In der Keilmeßebene werden die Winkel des Schneidteils bestimmt. Die Ebene steht senkrecht zur Schneiden- und Werkzeugsbezugsebene und enthält ebenfalls den betrachteten Schneidenpunkt.

Wirkbezugssysteme:

  • Das Wirkbezugssystem gilt für das arbeitende Werkzeug. Es ist deshalb für die Darstellung des Zerspanungsvorgangs von Wichtigkeit.
  • Die Wirkungsbezugsebene steht senkrecht zur Wirkrichtung. Das Wirkbezugssystem entspricht somit dem um den Wirkungswinkel η gedrehten Werkzeugbezugssystem.
  • Die Arbeitsebene im Wirkbezugssystem ist eine gedachte Ebene, die die Schnitt- und die Vorschubrichtung enthält. In ihr vollziehen sich alle Bewegungen, die an der Spanentstehung beteiligt sind.

Spanungsgrößen


Während Vorschub und Eingriffsgrößen Maschineneinstellgrößen sind, werden zur Berechnung von Zerspanvorgängen vor allem die aus diesen Größen abgeleiteten Spanungsgrößen benötigt. Parameter beschreiben die Abmessungen der vom Werkstück abzuspanenden Schichten.
Die Spanungsbreite b ist die Breite des abzunehmenden Spans, gemessen in der Schnittfläche senkrecht zur Schnittrichtung.
Als Spanungsdicke h bezeichnet man die Dicke des abzunehmenden Spans, gemessen senkrecht zur Schnittrichtung und senkrecht zur Schnittfläche.
Der Spanungsquerschnitt A wird als Querschnittsfläche des abzunehmenden Spans verstanden. Gemessen senkrecht zur Schnittrichtung.
Die Schnitttiefe ap wird senkrecht zur Arbeitsebene gemessen.
Der Einstellwinkel к (Kappa) ist der Winkel zwischen der Hauptschneide des Drehmeißels und der Vorschubrichtung.
Der Vorschub je Umdrehung wird mit f bezeichnet.

A = ap . f = b . h
b = ap / sin к h = f . sin к

Schneiden, Flächen und Winkel


Flächen und Winkel am Schneidwerkzeug

Werkzeugwinkel Größenbereich Beschreibung
Freiwinkel
α = 6° bis 12°
Winkel zwischen Schneidebene und Freifläche
Keilwinkel
β = 90° - α - γ
Winkel zwischen Span- und Freifläche
Spanwinkel
γ = - 15° bis +25°
Winkel zwischen Spanfläche und Werkzeugbezugsebene (γ auch negativ!)
α + β + γ = 90°
Einstellwinkel
x = 45° bis 110°
Winkel zwischen Hauptschneide und Vorschubrichtung
Eckenwinkel
ε = 35° bis 100°
Winkel zwischen Haupt- und Nebenschneide
Neigungswinkel
λ = -6° bis +6°
Winkel zwischen Hauptschneide und Werkzeugebene (λ auch negativ!)
Eckenradius r ε = 0,4 bis 1,6 mm Spitzenverrundung
Schneidkantenradius rSK = 20 bis 60 µm (oder Schneidkantenfase!)

Keil- und Spanwinkel werden je nach Werkstückmaterial variiert.

Kräfte an der Schneide


An jeder Werkzeugschneide greift eine resultierende Kraft an. Diese Kraft bezeichnet man als Zerspankraft. Der Betrag dieser Kraft ist von den Schnittdaten, der Werkzeuggeometrie, Werkzeugwerkstoff, Verschleißzustand des Werkzeuges, dem Werkstückwerkstoff, der Art des Kühlmittels, dem Trennverfahren, der Anzahl der im Eingriff befindlichen Schneiden sowie dem zeitlichen Kraftverlauf abhängig.
Befinden sich mehrere Schneiden im Eingriff (z. B. beim Sägen oder Fräsen), wird die Zerspankraft pro Schneide angegeben.
Die Zerspankraft F wird in ihre Komponenten zerlegt. Dabei gilt folgende Zuordnung:
Die Wirkungslinie der Schnittkraft Fc (auch Hauptschnittkraft genannt) fällt mit der Schnittrichtung zusammen.
Die Wirkungslinie der Vorschubkraft Ff wird von der Vorschubrichtung gebildet. Damit liegen Fc und Ff in der Arbeitsebene des Werkzeugs.
Die Passivkraft Fp (auch Rückkraft genannt) steht stets senkrecht auf der Arbeitsebene.
Alle Kräfte werden im betrachteten Schneidenpunkt, auf die Schneide wirkend, angetragen. Die vektorielle Addition der Schnittkraft Fc und der Vorschubkraft Ff wird als Aktivkraft Fa bezeichnet. Man kann somit folgende Gleichung entwickeln:

Fa² = Fc² + Ff² (für φ = 90°)

Die Zerspankraft F setzt sich aus der Aktiv- und der Passivkraft zusammen:

F² = Fa² + Fp²

Verschleißformen und -ursachen


Unter dem Begriff Verschleiß versteht man die Abnutzung des unter Schnitt stehenden Schneidenteils. Der Verschleiß wird durch verschiedene Beanspruchungen des Werkzeuges während des Schnitts verursacht.

Verschleißart Verschleißursache und Wirkung
Aufbauschneide
Aaufbauschneide: Verschleißformen und -ursache
Adhäsion: Belagbildung durch Wiederaufschweißen, bei HSS, Vc niedrig
Freiflächenverschleiß
Freiflaechenverschleiss: Verschleißformen und -ursache
Abrasion: Materialabtrag durch mechanischen Abrieb (SV und VB). Schelchtere Oberflächengute und Maßgenauigkeit.
Kantenverschleiß
Kantenverschleiß Verschleißformen und -ursache
Besondere Form des Freiflächenverschleißes
Kolkverschleiß
Freiflaechenverschleiss: Verschleißformen und -ursache
Diffusion: Phasengrenzflächenreaktionen schwächen das Hartmetall bei >800° C, Vc >80m/min (KM und KT)
Spanflächenverschleiß
Spanflaechenverschleis Verschleißformen und -ursache
Schwächung des Schneidkeils. Veränderung der Schneidengeometrie
Oxidationskerben Oxidation: Verzunderung bei >800° C, durch Sauerstoff in der Luft
Plastische Verformung Überbelastung: zu große Schnittgeschwindigkeiten und zu große Spanquerschnitte
Kamm-/Querrisse Thermische Spannungen bei unterbrochenen Schnitten
Schneidkanten- oder Eckenausbruch, Totalbruch Zu hohe mechanische Beanspruchung oder falsche Bedienung bzw. Werkzeug schadhaft (Materialfehler)

Die meisten Verschleißarten treten jedoch nicht einzeln, sondern in Kombination auf.

Auswirkungen des Verschleißes
Verschleiß führt generell zu einem Anstieg aller Komponenten der Zerspankraft. Dies kann soweit fortschreiten, dass die Werte für die Vorschub- und die Passivkraft den Wert der Schnittkraft übersteigen. Für HSS-Werkzeuge ist die Standzeit beendet, wenn die sog. Blankbremsung eintritt. Zunehmender Verschleiß kann zu Schnittkraftschwankungen und damit zu Ratterschwingungen führen.

Da sich mit zunehmendem Verschleiß die Kontaktflächen zwischen Werkzeug und Werkstück verändern, kommt es auch zu einem Anstieg der Schnitttemperatur.

  • Es entstehen Fertigungsfehler hinsichtlich Maß-, Form- und Oberflächengüte des Werkstücks.
  • Die Fertigungskosten steigen durch erhöhte Werkzeugkosten und Werkzeug-Wechselzeiten (Maschinenstundensatz!) sowie durch Stillstand bei Reparatur.

Standzeit


Über welchen Zeitraum kann mit einem Werkzeug ein bestimmter Fertigungsprozess ablaufen, ohne dass der Werkzeugverschleiß des Fertigungsprozess ablaufen, ohne dass der Werkzeugverschleiß das Fertigungsergebnis nachteilig beeinflusst?

Die Standzeit T eines Werkzeugs wird durch ein vorzugebendes Standzeitkriterium in Form einer maximal zulässigen Verschleißgröße bestimmt. Als Standkriterium sind besonders der Freiflächenverschleiß und der Kolkverschleiß von Bedeutung.

Standzeitberechnung nach Taylor


Nach Taylor übt die Schnittgeschwindigkeit den größten Einfluss auf den Werkzeugverschleiß aus. Darüberhinaus ist der Verschleiß abhängig von Vorschub, Schnitttiefe und Schneidgeometrie sowie vom Zugfestigkeitswert Rm des Werkstückstoffes, vom Schneidstoff und vom Einsatz eines Kühlschmiermittels. Wegen der Dominanz der Schnittgeschwindigkeit als Einflussparameter ist es jedoch in vielen Fällen ausreichend, die Verschleißbetrachtungen auf den Zusammenhang zwischen Standzeit und Schnittgeschwindigkeit zu reduzieren.

Grundsätzlich bleibt aber festzuhalten, dass das Erreichen eines Fertigungszeitminimums (gleichbedeutend mit einer hohen Schnittgeschwindigkeit vc) zwangsläufig immer zu kürzeren Standzeiten und damit einer Erhöhung der Fertigungskosten (Werkzeugkosten) verbunden ist. Bei der Optimierung eines Spanvorgangs muss diese Tatsache genauso wie die werkstück-, werkzeug-, und maschinenseitigen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.